Deutschland braucht ausländische Studierende, um den Rückgang bei der Zahl der einheimischen Studierenden zu kompensieren und den Fachkräftebedarf zu decken.
Im Idealfall schließen die ausländischen Studierenden ihr Studium erfolgreich ab und integrieren sich danach in den Arbeitsmarkt. Auf den ersten Blick gelingt das bereits ganz gut, wie Statistiken und Berichte zur Zahl ausländischer Studierender belegen (z.B. statistisches Bundesamt, DAAD-Berichte). Doch es gibt noch deutlich Luft nach oben.
Wir haben recherchiert und einige Empfehlungen zusammengestellt, wie Hochschulen erfolgreichere ausländische Studierende bekommen können:
Die Zahl ausländischer Studierender in Deutschland steigt kontinuierlich an, von 204.644 im WS 2012/13 auf 367.578 im WS 2022/23. Damit liegt Deutschland weltweit auf Platz 4, hinter den USA (ca. 1 Mio.), dem Vereinigten Königreich (0,55 Mio.) und Australien (0,45 Mio.) und noch vor ebenfalls beliebten Ländern wie Kanada (0,3 Mio.) und Frankreich (0,25 Mio.).
Auch beim Verbleib im Land steht Deutschland gut da: Von den Nicht-EU-Ausländern, die ein Studium in Deutschland beginnen, sind 63 Prozent 5 Jahre später immer noch im Land. In anderen EU-Ländern wie Frankreich, Schweden, den Niederlanden, Italien und Dänemark sowie in Nicht-EU-Ländern liegen diese 5-Jahres-Verbleibequoten unter 50 Prozent (mit Ausnahme von Kanada, das 64 Prozent erzielt). Diese Zahlen sehen für Deutschland gut aus und zeigen, dass Hochschulen und Organisationen wie der DAAD schon vieles richtig gemacht haben in den vergangenen Jahren.
Es gibt allerdings zwei Probleme, und diese sind nicht unerheblich:
- Die Zahl der internationalen Studierenden ist immer noch zu niedrig. Die Zahl ausländischer Studienanfänger stieg zwar vom Studienjahr 2019 bis zum Studienjahr 2022 von 125.400 auf 128.500 (+2,5%), die Zahl der deutschen Studienanfänger sank jedoch im gleichen Zeitraum von 383.300 auf 346.400 (-9,6%). Die steigende Zahl ausländischer Studierender reicht also nicht aus, den Rückgang der einheimischen Studierenden zu kompensieren.
- Die Abbruchquote ausländischer Studierender in Deutschland ist zu hoch: Sie liegt zwischen 41 und 45 Prozent im Bachelorstudium (bei Bildungsausländer:innen), bei Deutschen ist die Abbruchquote mit 27 bis 31 Prozent deutlich niedriger (DZHW-Brief 05/2022). Auch im Masterstudium ist die Abbruchquote mit 26-34 Prozent (vs. 17-23 Prozent) höher.
Woran liegt es, dass die Abbruchquote ausländischer Studierender so hoch ist? Umfassende Daten und Erklärungsansätze gibt es leider nicht, und selbst die Abbruchquoten sind statistisch schwer zu ermitteln. Dennoch gibt es Hinweise, welche Themenbereiche Schwierigkeiten bereiten.
Themen, bei denen ausländische Studierende Schwierigkeiten haben
In einer Befragung (International Student Survey, zit. nach Pineda et al., 2022) nannten ausländische Studierende, die ihr Bachelorstudium in Deutschland abbrachen, als häufigste Abbruchgründe mangelnde Studienmotivation (37%), Leistungsprobleme (33%) und die finanzielle Situation (33%). Weitere Gründe mit Nennungen über 10 Prozent waren der Wunsch nach praktischen Tätigkeiten, persönliche Gründe, Studienbedingungen, berufliche Alternativen und die familiäre Situation.
In einer anderen Studie (DAAD, 2023) wurden ausländische Studierende zu verschiedenen Aspekten ihres Studiums in Deutschland befragt. Viele Angebote der Hochschulen wurden von der Mehrheit positiv beurteilt, beispielsweise die Studieninformationen im Internet oder die Arbeit des International Office. Von der Mehrheit nicht positiv beurteilt wurden hingegen Angebote zum Kennenlernen deutscher Studierender, psychologische Beratung und Unterstützung bei der Wohnungssuche. Ebenso wurden die Bereiche „Schwierigkeit des Stoffumfangs“, „Deutsche Sprache im Alltag“, „Anschluss an Kommiliton/innen und soziale Kontakte“, „Deutsche Sprache im Studium“, „Bürokratische Formalitäten“ und „Wohnungssuche“ von weniger als der Hälfte positiv beurteilt. Was die Studienanforderungen betrifft, sahen 36,2 % die Anforderungen und 51,3 % die Stofffülle als zu hoch an.
Zusammengefasst scheint es also fünf Problembereiche zu geben: Sprachprobleme, Leistungsprobleme, soziale Probleme, finanzielle Probleme und organisatorische Probleme. Was können Hochschulen nun tun, um die Erfolgsquote ausländischer Studierender zu erhöhen?
Ansatzpunkte zur Verbesserung der Erfolgsquote im Studium
Wir stellen einige Ansatzpunkte zur Verbesserung der Erfolgsquote vor, die diskutiert werden und die wir für vielversprechend halten. Die ersten drei beziehen sich auf die Unterstützung ausländischer Studierender während des Studiums, die anderen beiden insbesondere auf die Zeit vor dem Studium.
- Den Spracherwerb unterstützen: In Befragungen verweisen über 50 Prozent der ausländischen Studierenden auf Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache. Es ist daher wichtig, dass internationale Studierende umfassende Angebote erhalten, vor dem Studium sowie zu Beginn des Studiums ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. Dies könnte durch intensive Sprachkurse und sprachliche Vorbereitungsprogramme erreicht werden, die einige Hochschulen bereits anbieten.
- Buddy-Programme anbieten: Organisierte Partnerschaften zwischen einheimischen und internationalen Studierenden sind ein Schlüssel zur schnelleren Integration an der Hochschule. Durch die Zuordnung eines „Buddies“ erhalten ausländische Studierende Unterstützung, sich in universitären Strukturen zurechtzufinden, und Hilfe bei außeruniversitären Herausforderungen wie Wohnungssuche und dem Umgang mit Behörden. Darüber hinaus bieten Buddy-Programme eine hervorragende Plattform, um schnell soziale Kontakte zu knüpfen.
- Beratung speziell für ausländische Studierende verbessern: Maßgeschneiderte Beratungsangebote konzentrieren sich auf Themen und Herausforderungen, die vor allem internationale Studierende betreffen. Dazu gehören vor allem die Besonderheiten des Hochschulsystems, Finanzierungsmöglichkeiten, Wohnungssuche, Sprachkurse oder die Kommunikation mit Behörden.
Ansatzpunkte zur Verbesserung der Erfolgsquote bereits vor dem Studium
- Früher die Zulassungsbescheide verschicken: Nach Angaben des Stifterverbands (2019) sollten ausländische Studierende mindestens 3 Monate Zeit zwischen Zulassungsbescheid und Studienbeginn haben, damit sie die vielen Hürden vor der Einreise bewältigen können. Denn Visavergabe, Kontoeinrichtung, Legitimierungen und die bürokratischen Verfahren benötigen viel Zeit. Nach einer Befragung bekommen viele ausländische Studierende ihren Zulassungsbescheid nicht früh genug, und so treffen 38 Prozent der Nicht-EU-Ausländer erst nach Beginn des Semesters in Deutschland ein. So geht wertvolle Zeit verloren, für Deutschlernen, soziale Kontakte und das Verarbeiten der ersten Studieninhalte – ggf. wird hier bereits der Anschluss verpasst. Eine Empfehlung lautet daher, Zulassungsbescheide möglichst früh zu versenden.
- Studieneignung bei Zugang und Auswahl berücksichtigen: Studieneignung ist der beste Prädiktor von Studienerfolg, wie viele empirische Studien zeigen. Die Studieneignung lässt sich gut mit standardisierten psychometrischen Tests erfassen. Doch sowohl beim Zugang zum Studium als auch bei der Zulassung spielt die Studieneignung derzeit kaum eine Rolle. Im Vordergrund stehen formale Qualifikationen wie die Äquivalenz der Hochschulzugangsberechtigung nach den Kriterien der Zentralstelle ausländisches Bildungswesen (ZAB). Die Befragungen von Studierenden und die Analysen von Abbruchquoten legen allerdings nahe, die Studieneignung zu erfassen und bei Zugang und Zulassung stärker zu berücksichtigen. Die Gesetzgeber einiger Bundesländer haben dafür bereits die Voraussetzungen geschaffen. Hochschulen können talentierten ausländischen Bewerbenden einen Direktzugang ermöglichen, wenn sie einen Studieneignungstest bestehen – selbst wenn die Äquivalenz der HZB nach den ZAB-Kriterien nicht gegeben ist. Von dieser Möglichkeit machen die Hochschulen allerdings noch keinen Gebrauch.
Somit gibt es trotz der vielen und in weiten Teilen schon erfolgreichen Bemühungen der Hochschulen bei der Aufnahme internationaler Studierender noch einige Ansatzpunkte, an denen Hochschulen aktiv werden können, um die Zahl erfolgreicher ausländischer Studienabsolventinnen und -absolventen zu erhöhen.
Literaturempfehlungen
Deutscher Akademischer Austauschdienst (Hrsg.) (2023). Internationale Studierendenmobilität in Deutschland: Ergebnisbericht zum ersten Benchmark internationale Hochschule (BintHo) im Wintersemester 2020/21. Bonn. https://doi.org/10.46685/DAADStudien.2023.05
DZHW/DAAD (2023). Wissenschaft weltoffen. Daten und Fakten zur Internationalität von Studium und Forschung in Deutschland und weltweit.
Heublein, U., Hutzsch, C., & Schmelzer, R. (2022). Die Entwicklung der Studienabbruchquoten in Deutschland. DZHW-Brief 02/2022.
Pineda, J., Kercher, J., Falk, S., Thies, T., Yildirim, H. H., & Zimmermann, J. (2022). Internationale Studierende in Deutschland zum Studienerfolg begleiten: Ergebnisse und Handlungsempfehlungen aus dem SeSaBa-Projekt. DAAD Studien. Bonn: DAAD. https://doi. org/10.46685/DAADStudien.2022.01
Schröder, E., Winde, M., Marggraf, J. & Dorra, C. (2019). Ausgebremst statt durchgestartet. Herausforderungen für ausländische Studierende jenseits von Kultur- und Bildungsfragen. Policy Paper – Stifterverband.