Abbruch statt Abschluss: Ursachen für Studienabbrüche
Ein Studienabbruch kann verschiedene Ursachen haben, die mit dem sozialen Umfeld sowie mit individuellen Faktoren zusammenhängen. Wenn man die Abbruchquoten reduzieren und den Studienerfolg fördern möchte, ist es wichtig, sowohl die individuellen Faktoren zu berücksichtigen, als auch die Rahmenbedingungen und die Unterstützung an Hochschulen zu verbessern. Ein ganzheitlicher Ansatz ist der Schlüssel zur Reduzierung der Abbruchquoten.
Über den Campus hinaus: Wie das soziale Umfeld den Studienerfolg beeinflusst
Die Lebensumstände und das soziale Umfeld von Studierenden sind oft ebenso entscheidend für den Studienerfolg wie das Bewältigen der akademischen Herausforderungen selbst. Eine harmonische Wohn- und Lebenssituation und eine unterstützende Gemeinschaft aus Familie, Freunden und anderen Bezugspersonen können maßgeblich zum Studienerfolg beitragen.
Eine gute soziale Integration kann die Wahrscheinlichkeit eines Studienabbruchs bedeutsam verringern. Die Art und Weise, wie Studierende leben und wohnen, insbesondere die Distanz zur Universität und die Qualität des studentischen Lebens, ist dabei nicht zu unterschätzen. Ebenso wichtig ist das Netzwerk aus nahen Bezugspersonen. Eine offene und unterstützende Kommunikation mit diesen Schlüsselfiguren kann eine Quelle der Stärke sein, während Konflikte oder Missverständnisse das Risiko eines Studienabbruchs erhöhen. Kurz gesagt, ein stabiles und förderliches Umfeld ist ein nicht zu vernachlässigender Faktor für den akademischen Erfolg
Von Motivation bis Management: Individuelle Ursachen für den Studienabbruch
Zunächst einmal ist es wenig überraschend, dass eine höhere fachspezifische Studierfähigkeit als Schutzfaktor vor einem Studienabbruch wirkt. Studierende, die sich in ihrem Fachgebiet sicher fühlen und über die nötigen Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügen, sind gut gerüstet, die fachlichen Herausforderungen des Studiums zu meistern. Diese Kompetenz gibt ihnen das Selbstvertrauen und die Resilienz, die sie brauchen, um schwierige Situationen zu meistern.
Motivationale Faktoren, insbesondere das Interesse am Studienfach, sind ebenfalls entscheidend. Wenn Studierende ein starkes Interesse an ihrem Studienfach haben, zeigen sie eher die Bereitschaft, den Aufwand zu betreiben, der für den Studienerfolg notwendig ist, und sich auch durch schwierige Inhalte „durchzubeißen“.
Interessanterweise gibt es auch einen Zusammenhang zwischen der Abiturnote und der Wahrscheinlichkeit eines Studienfachwechsels, der rein statistisch auch als Studienabbruch gewertet werden kann. Studierende mit besseren Abiturnoten tendieren eher dazu, ihr Studienfach zu wechseln. Dies könnte darauf hindeuten, dass diese Studierenden eine höhere Selbstwirksamkeit und ein größeres Vertrauen in ihre Leistungen haben und daher eher bereit sind, nach einem Studienfach mit besserer Passung zu suchen, wenn das ursprünglich gewählte Fach nicht ihren Erwartungen entspricht.
In den letzten Jahren ist zudem das Phänomen der Prokrastination als Ursache für Studienabbruch immer mehr in den Fokus der Forschung gerückt.
Die Last-Minute-Falle: Prokrastination und ihre Konsequenzen für Studierende
Prokrastination, auch bekannt als Aufschiebeverhalten, ist in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus der Forschung gerückt.
Prokrastination wird als unangemessenes Aufschiebeverhalten definiert, das mit hohen emotionalen und motivationalen Kosten sowie Leistungseinbußen einhergeht. Es ist ein Phänomen, bei dem Menschen wichtige Aufgaben und Verpflichtungen vor sich herschieben und stattdessen unwichtige oder kurzfristige Aktivitäten priorisieren.
Übertragen auf das Verhalten während eines Studiums zeigt sich Prokrastination dadurch, dass wichtige studienrelevante Leistungen (z. B. Erstellen einer Hausarbeit, Lernen für eine Klausur) nicht angegangen oder so lange aufgeschoben werden, dass (enormer) Zeitdruck entsteht. Stattdessen werden Freizeitaktivitäten, weniger zeitkritische oder weniger relevante Tätigkeiten (z. B. besondere Layoutgestaltung von Präsentationen) vorgezogen.
Die Forschung zeigt, dass Prokrastination ein bedeutender Risikofaktor für Studienerfolg und Studienabbruch ist: Studierende, die häufig prokrastinieren, erbringen tendenziell schlechtere Leistungen und haben eine niedrigere Studien- und Lebenszufriedenheit. Dies kann zu einem Teufelskreis führen, in dem sich das Aufschieben von Aufgaben negativ auf die Motivation und die Selbstwirksamkeit auswirkt. Verschiedene Faktoren können Prokrastination begünstigen. Dazu gehören Schwierigkeiten bei der Regulation von Emotionen und bei der Umsetzung von Lernhandlungen sowie fehlende Motivation. Präventive und intervenierende Maßnahmen zur Verringerung von Prokrastination im Studienkontext sind daher sinnvoll, um Studienerfolg zu erhöhen und Studienabbruchquoten zur verringern. Neben dem klassischen Beratungsangebot sind z. B. Trainings zum Zeitmanagement und zum selbstregulierten Lernen sinnvoll. Zudem gewinnen Self-Assessments zur Erfassung des Studieninteresses und der Studienmotivation unter diesem Gesichtspunkt nochmals einen höheren Stellenwert.
Berufseinstieg nach Studienabbruch: Chancen am Arbeitsmarkt
Ein Studienabbruch kann vielfältige Auswirkungen auf die berufliche Laufbahn haben. Studien, die Arbeitgeber und fiktive Bewerbungen einschlossen, haben sich mit den Folgen eines Studienabbruchs auf die Einstellungschancen auseinandergesetzt (siehe vertiefende Literatur). Die Ergebnisse bieten interessante Einblicke in die Bewertung von Studienabbrecherinnen und Studienabbrechern auf dem Arbeitsmarkt.
- Berufsausbildung: Studienabbrecher:innen konkurrieren hier mit Schulabgänger:innen. Ein vorausgehender Studienabbruch stellt nicht unbedingt ein Hindernis dar und die Einstellungschancen ähneln denen von Schulabgänger:innen. Wichtiger als der Studienabbruch selbst sind aus Sicht der Arbeitgeber:innen ein guter Schulabschluss und relevante praktische Erfahrungen.
- Fachkräftemarkt: Studienabbrecher:innen haben es hier schwerer. Sie haben eine um zirka ein Viertel geringere Wahrscheinlichkeit, zum Auswahlverfahren eingeladen zu werden, als Mitbewerber:innen mit abgeschlossener Berufsausbildung. Dies liegt oft an formalen Bildungsanforderungen der Unternehmen.
- Positionen für Hochschulabsolvent:innen: Die Konkurrenz mit Bachelorabsolvent:innen ist groß, und Studienabbrecher:innen haben deutlich geringere Chancen bei Positionen, die sich explizit an Hochschulabsolvent:innen richten.
Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt für Personen, die ihr Studium abgebrochen haben, können durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden. Eine wesentliche Rolle spielt die fachliche Nähe des bisherigen Studiums zur angestrebten Ausbildung. Wenn die Inhalte des Studiums und die Anforderungen der Ausbildung eng miteinander verknüpft sind, kann dies die Einstellungschancen verbessern. Zudem sind gute Studienleistungen oft ein Indikator für Arbeitgeber, dass der oder die Bewerber:in über eine hohe Lernbereitschaft und Kompetenz verfügt. Des Weiteren können relevante Praktika, die während des Studiums absolviert wurden, von großem Vorteil sein, da sie praktische Erfahrungen und branchenspezifisches Wissen vermitteln. All diese Aspekte zusammen können die beruflichen Perspektiven nach einem Studienabbruch maßgeblich verbessern.
Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt werden auch durch die angegebenen Gründe für den Studienabbruch beeinflusst. Positiv – also sogar die Chancen erhöhend – wirkt sich das Interesse an einer praktischen Tätigkeit (im Vergleich zum eher theoretischen Studium) aus. Negativ werden von potentiellen Arbeitgebern jedoch diejenigen Gründe wahrgenommen, die auf niedrige kognitive Fähigkeiten oder Motivationsprobleme hindeuten. Familiäre oder persönliche Gründe sowie die finanzielle Situation werden neutral beurteilt und haben damit keinen Einfluss.
Einfluss auf Einkommen und beruflichen Status
Studienabbrecher:innen verdienen im Durchschnitt weniger als diejenigen, die ihr Hochschulstudium erfolgreich abgeschlossen haben, allerdings liegt ihr Einkommen auf einem ähnlichen Niveau wie das derjenigen, die gar nicht erst ein Studium aufgenommen haben, den sogenannten Nicht-Starterinnen und Nicht-Startern. In Bezug auf den beruflichen Status finden sich Studienabbrecher:innen in einer Zwischenposition: Sie stehen später im Durchschnitt besser da als Nicht-Starter:innen, erreichen jedoch nicht die beruflichen Positionen von Hochschulabsolvent:innen. Dies spiegelt sich auch in der Dauer der Arbeitslosigkeit wider, die für Studienabbrecher:innen tendenziell länger ist als für Hochschulabsolvent:innen, aber vergleichbar mit der von Nicht-Startern.
Darüber hinaus zeigt sich, dass Studienabbrecher:innen mit ihrer Arbeit und ihrem Leben allgemein weniger zufrieden sind als Hochschulabsolvent:innen. Dies könnte auf die geringeren Einkommensmöglichkeiten und den niedrigeren beruflichen Status zurückzuführen sein. Gesundheitlich scheinen Studienabbrecher:innen ebenfalls schlechter abzuschneiden als Hochschulabsolvent:innen, wobei sie auch hier wiederum den Nicht-Startern ähneln. Diese Erkenntnisse legen nahe, dass der Abbruch eines Studiums langfristige Auswirkungen auf verschiedene Lebensbereiche haben kann, die über die unmittelbaren finanziellen Konsequenzen hinausgehen.
Fazit:
Studienabbrecher:innen haben keine Nachteile bei der Bewerbung auf Ausbildungsstellen, stehen aber bei Fachkräfte- und Hochschulabsolventenpositionen schlechter da. Gute Studienleistungen und praktische Erfahrungen können den Arbeitsmarkteintritt erleichtern. Abbrüche aus Interesse an praktischer Tätigkeit werden von Arbeitgebern positiv bewertet. Langfristig sind Studienabbrecher jedoch weniger zufrieden mit ihrer Arbeit. Ein Studienabbruch kann also kurzfristig überbrückbar sein, zieht aber langfristige eher negative Konsequenzen nach sich.
Studienabbrüchen entgegenwirken: Die Rolle von Beratung und Eignungstests
Die stille Reserve: Potenzial der Studienberatung aktivieren
Studienabbrüche sind ein komplexes Phänomen, das Hochschulen seit Langem beschäftigt. Eine Studie zeigt auf, dass Beratungsangebote an Universitäten zwar vorhanden, aber nicht allen Studierenden bekannt sind. Besonders Studienzweifler nutzen diese Angebote seltener, obwohl gerade sie von der Unterstützung profitieren könnten. Dies liegt teilweise an einem passiven Informationsverhalten dieser Studierenden, das den Studienzweifel zusätzlich verstärkt.
Interessanterweise zeigt sich, dass Studierende, die keine Zweifel haben, Beratungsangebote häufiger in Anspruch nehmen und diese als Mehrwert für ihren Studienerfolg sehen. Dies deutet darauf hin, dass Beratung nicht nur eine Frage des Angebots, sondern auch der aktiven Auseinandersetzung mit dem Studium ist. Einige Studierende scheuen sich, ihre Probleme zu äußern oder professionelle Hilfe zu suchen, was durch eine Art „Beratungsscham“ oder „Beratungsangst“ bedingt sein kann.
Die Qualität der Beratung hängt nicht nur von den Beraterinnen und Beratern ab, sondern auch von der Bereitschaft der Studierenden, die Beratung anzunehmen und umzusetzen. Es ist wichtig, dass Studierende lernen, ihre Anliegen zu kommunizieren und die erhaltenen Ratschläge zu verarbeiten. Die Zufriedenheit mit der Beratung und die allgemeine Lebenszufriedenheit scheinen dabei eng verknüpft zu sein.
Mehr als nur Hürden: Selektionsverfahren als Orientierungshilfe
Die Studie zum Beratungsangebot weist auch auf die Rolle von Verfahren hin, welche die Selbstselektion beeinflussen. Dies sind insbesondere Studieneignungstests oder Aufnahmeprüfungen, die nicht nur die Eignung prüfen, sondern auch zur Auseinandersetzung mit dem Studienfach anregen. Solche Verfahren könnten präventiv gegen Studienabbrüche wirken, indem sie eine bessere Passung zwischen Studierenden und Studienfach sowie eine realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten fördern.
Abschließend lässt sich sagen, dass eine Kombination aus frühzeitiger Orientierung, passgenauen Beratungsangeboten und Studieneignungstests dazu beitragen kann, Studienabbrüche zu reduzieren und die Zufriedenheit der Studierenden zu erhöhen.
Literatur:
Neugebauer, M., Daniel, H. D., & Wolter, A. (2021). Studienerfolg und Studienabbruch. Springer Fachmedien Wiesbaden