Irgendwie wussten wir es schon immer: Bachelornoten haben nur eine eingeschränkte Aussagekraft. An vielen Hochschulen gibt es keine einheitlichen Standards für die Notenvergabe. Man kann innerhalb einer Hochschule durch die Wahl bestimmter Vertiefungen oder Betreuer:innen für die Bachelorarbeit den Notendurchschnitt optimieren. In einigen Bereichen ist eine starke Noteninflation zu beobachten. Beim Vergleich von Abschlussnoten verschiedener Hochschulen kommt hinzu, dass die Studierenden unterschiedlich leistungsstark sind, die Anforderungen sich von Hochschule zu Hochschule unterscheiden und auch die Notenvergabepraxis unterschiedlich streng ist. Diese Einschränkungen der Aussagekraft hat das ITB nun bei Bachelorabsolvent:innen der Wirtschaftswissenschaften untersucht, die am Studieneignungstest für Masterstudiengänge TM-WISO teilnahmen.

Studieneignungstests als einheitlicher Standard machen Auswahlverfahren fairer

Bei eingeschränkter Aussagekraft von Auswahlkriterien empfiehlt es sich, zusätzliche Auswahlkriterien einzuführen, die eine hohe Aussagekraft haben und die für alle Bewerbenden gleich sind. Sogar das Bundesverfassungsgericht stellte in seinem Urteil zur Auswahl von Studierenden in bundesweit zulassungsbeschränkten Studiengängen fest, dass Hochschulen aufgrund der eingeschränkten Vergleichbarkeit von Abiturnoten zusätzliche Auswahlkriterien verwenden müssen. Der neue Staatsvertrag und die entsprechenden Ländergesetze zur Hochschulzulassung schreiben mittlerweile einen (empirisch validierten) fachspezifischen Studieneignungstest als Auswahlkriterium bei bundesweiter Zulassungsbeschränkung vor.

Bei der Auswahl von Masterstudierenden in Wirtschaftswissenschaften nutzen bereits viele Hochschulen Studieneignungstests wie TM-WISO, GMAT oder GRE. Diese Tests haben gemeinsam, dass sie nach den Standards der psychologischen Eignungsdiagnostik entwickelt wurden und in empirischen Studien eine gute Prognosekraft für Studienerfolg gezeigt haben.

Wie gut das Ausgleichen von Benotungsunterschieden im Bachelor gelingt, zeigt eine Studie, die ITB gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Duisburg-Essen durchgeführt hat. 4960 Teilnehmende am TM-WISO hatten Angaben zu ihrem Bachelorabschluss gemacht: Sie gaben Abschlussnote, Studienfach und Hochschule an. Mit Regressionsanalysen untersuchten wir, wie gut Bachelorabsolvierende verschiedener Hochschularten bei konstanter Bachelornote im TM-WISO abschnitten. Das Ergebnis bestätigte die Vermutungen vieler Hochschulvertreter: Absolvierende von staatlichen Fachhochschulen haben bei gleicher Bachelornote eine um 4 Standardpunkte schwächere Leistung im TM-WISO als Absolvierende von staatlichen Universitäten. Absolvierende von Berufsakademien lagen in ihrer Leistung genau dazwischen. Es macht also einen Unterschied, an was für einer Art Hochschule ein Abschluss erworben wird. Das Ausmaß dieser Unterschiede ist allerdings geringer als von einigen Universitätsmitarbeitenden vermutet: Etliche Absolvierende von Berufsakademien und Fachhochschulen zeigten im TM-WISO gute oder sehr gute Leistungen.

Ähnliche Benotungs- und Leistungsunterschiede fanden wir in verschiedenen wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen: Absolvent:innen von wirtschaftsnahen MINT-Fächern (z.B. Wirtschaftsingenieure und Wirtschaftsinformatiker) schneiden bei gleicher Bachelornote im TM-WISO etwas besser ab als Absolvent:innen der VWL. VWL liegt wiederum knapp vor BWL, gefolgt von wirtschaftsnahen Gesellschaftswissenschaften. Auch hier wird bestätigt, was viele vermutet hatten. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass ein Test wie TM-WISO in der Lage ist, solche Benotungsunterschiede auszugleichen.

Statistische Korrekturen können die Aussagekraft von Bachelornoten verbessern

Doch wie wäre es, die Vergleichbarkeit über verschiedene Hochschulen durch statistische Korrekturen zu verbessern? Genau das ist unseren Kooperationspartnern der candidate select GmbH gelungen: Sie entwickelten den CASE Algorithmus, mit dem Abschlussnoten im jeweiligen Studienkontext interpretiert werden können. Dabei wird die Endnote eines Abschlusses zunächst mit der Notenverteilung verglichen, die im Abschlussjahr an der jeweiligen Hochschule im spezifischen Studienfach und Abschluss vergeben wurden. Anschließend wird das Anspruchsniveau des spezifischen Studienfachs und Abschlusses im Vergleich zu allen Fächern und Abschlüssen deutschlandweit berücksichtigt. Die Einschätzung der Leistungsfähigkeit erfolgt anhand von Informationen zur Intelligenz und Persönlichkeit von Studierenden der jeweiligen Programme, die in großangelegten Studierendenbefragungen der Studienreihe „Fachkraft 2030“ erhoben werden. Es resultiert der sogenannte CASE Score – eine Einschätzung, wie gut ein spezifischer Abschluss im Vergleich zu allen Abschlüssen deutschlandweit ist.

Gemeinsam mit der candidate select GmbH analysierten wir Daten von 4.844 Teilnehmenden am TM-WISO, die Angaben zu ihren Bachelorabschlüssen gemacht hatten. Die Korrelation zwischen TM-WISO-Ergebnissen und Bachelorabschlussnoten lag mit .27 nur im mittleren Bereich. Nach der statistischen Korrektur durch den CASE Algorithmus stiegt diese Korrelation bedeutsam an auf .42.

Die Ergebnisse dieser Studie, die nun in der Zeitschrift „Hochschulmanagement“ veröffentlicht wird, zeigen eindrucksvoll, dass Bachelornoten verschiedener Hochschulen nur eine geringe Aussagekraft haben, dass diese aber durch statistische Korrekturen verbessert werden kann. Nach Korrektur wird erkennbar, dass Bachelornoten durchaus etwas ähnliches beinhalten wie TM-WISO.

Spannenderweise fanden wir diesen Effekt nicht für die Aufgabengruppe Planen in Studium und Beruf, die sowohl vor als auch nach Korrektur kaum mit dem Bachelornoten zusammenhängt, aber in empirischen Studien eine besonders gute Prognosekraft für Masterabschlussnoten hat. Die Fähigkeit zum Planen in Studium und Beruf scheint also in Bachelorprogrammen nur eine untergeordnete Rolle zu spielen, hingegen eine bedeutsame Rolle für Erfolg in Masterprogrammen. 

Insgesamt zeigen die beiden Studien, dass Auswahlverfahren, die nur auf unkorrigierten Bachelornoten basieren, vermutlich keine gute Aussagekraft haben. Die Aussagekraft von Auswahlverfahren lässt sich durch die Hinzunahme valider Kriterien wie Studieneignungstests verbessern sowie durch eine statistische Korrektur der Noten.